Viele werden es in den letzten Tagen gelesen oder in den Nachrichten gesehen und gehört haben: Mehr als 260 Jahre nachdem es der junge Mozart komponiert hat, ist ein bisher unbekanntes Frühwerk von Mozart neu entdeckt worden. Das Stück, das als „Ganz kleine Nachtmusik“ bezeichnet wird, wurde am 21. September 2024 in der Oper Leipzig uraufgeführt. Der junge Mozart war wohl zwischen 10 und 13 Jahre alt war, als er dieses Stück schuf.
Aber was hat das mit dem Urheberrecht zu tun? Auch viele derjenigen, die normal nichts mit dem Urheberrecht zu tun haben, haben schon einmal gehört, dass das Urheberrecht 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers erlischt. Und auch diejenigen, die sich nicht viel mit Musik beschäftigen, haben wohl im Gefühl, dass Mozart schon mehr als 70 Jahre tot ist. Damit hat sich dann der Urheberrechtsschutz erledigt, oder nicht?
Klassischer Urheberrechtsschutz besteht an dem Werk tatsächlich nicht mehr. Aber es erscheint durchaus möglich, dass das Stück durch ein sogenanntes „Leistungsschutzrecht“ geschützt ist, nämlich das Leistungsschutzrecht am „nachgelassenen Werk“ aus § 71 UrhG.
Nach § 71 UrhG gilt: „Wer ein nicht erschienenes Werk nach Erlöschen des Urheberrechts erlaubterweise erstmals erscheinen lässt oder erstmals öffentlich wiedergibt, hat das ausschließliche Recht, das Werk zu verwerten.“ Dieses Recht gilt für 25 Jahre ab Erscheinen bzw. öffentlicher Wiedergabe des Werks. Der Inhaber des Rechts darf damit das Werk kommerziell verwerten, also Lizenzen für die Nutzung erteilen und anderen die Nutzung verbieten, wenn sie keine Lizenz haben.
Dieses Recht ist mehr oder weniger genau für einen Fall wie die „Ganz kleine Nachtmusik“ geschaffen worden. Derjenige, der ein bisher unbekanntes Werk auf seinem Dachboden oder in seinem Archiv findet, soll einen Anreiz dafür erhalten, dieses Werk mit der Öffentlichkeit zu teilen.
Ob an der „Ganz kleinen Nachtmusik“ tatsächlich ein solches Recht aus § 71 UrhG entstanden ist und wem es zusteht, hängt davon ab, ob es ein tatsächlich unveröffentlichtes Werk ist (hat Mozart es einmal aufgeführt?) und wer aus juristischer Perspektive das Werk jetzt erstmals veröffentlicht hat (Die Oper? Der Verlag, der das Köchel-Verzeichnis herausgibt, in dem das Werk abgedruckt ist?). Um das tatsächlich beurteilen zu können, wären tatsächlich mehr Informationen notwendig. Das Entstehen des Rechts erscheint aber naheliegend.
Wenn an der „Ganz kleinen Nachtmusik“ ein Recht nach § 71 UrhG entstanden sein sollte, darf das Werk nicht ohne Zustimmung des Rechteinhabers verwertet werden. Diejenigen, die das Stück in ihr Konzertprogramm aufnehmen wollen, sollten sich daher über den Stand informieren.
Prof. Dr. Eva Vonau hat zum Thema § 71 UrhG promoviert (Noch unter dem Namen Eva Langer) und steht als Ansprechpartnerin für alle Fragen rund um dieses Leistungsschutzrecht und alle anderen Rechte aus dem UrhG gerne zur Verfügung.